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„Bei einer Modernisierung sind intelligente Gebäudetechnologien unverzichtbar.“

Von am 18. Mai 2016
NZZ Domizil

Soll man beim Hausbau oder Hausumbau eine Pelletheizung oder Solarpanels einsetzen – oder besser auf neue, futuristische Technologien warten? Marianne Zünd, Geschäftsleitungsmitglied des Bundesamts für Energie, erklärt, welche Veränderungen auf die Schweizer Energiekonsumenten zukommen.

Die Schweiz will 2050 alle Atomkraftwerke abschalten. Sind wir auf Kurs?

Anfang April führten wir die Medienkonferenz zur Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg durch. Der Prozess läuft und wir sind auf Kurs.

Welches sind die Meilensteine bei der Nutzung von neuen Energien in den kommenden fünf Jahren?

Es bleibt kein Stein auf dem anderen und die Frage ist nicht, ob die neuen Energielösungen kommen, sondern wie schnell. Die Stromproduktion der Kernkraftwerke deckt heute fast 40 Prozent unseres Bedarfs und wir wissen, dass wir diesen Anteil nicht auf die Schnelle durch alternative Energien ersetzen können.

Was wird anders?

Die Stromproduktionsinfrastruktur wird in den kommenden Jahrzehnten organisch, wie ich als Biologin gerne sage. Es wird weiterhin ein zentrales Nervensystem mit einem starken Rückgrat an grösseren Kraftwerken sowie Stromübertragung auf Hochspannungsebene geben. Dies braucht es, um den grossflächigen Ausgleich sicherzustellen. Denn die Schweiz ist in den Wintermonaten auf Stromimporte angewiesen und sie wird es noch länger bleiben. Daneben entsteht neu eine dezentrale, kleinräumige Energieinfrastruktur. Gebäude produzieren einen guten Teil ihres Energiebedarfs selbst. Dank Speichern lassen sich diese Energien besser nutzen und Arealnetze ermöglichen den kleinräumigen Ausgleich von Energie – zum Beispiel in einem Quartier.

Zurück zu den Meilensteinen: Können Sie einzelne Daten für die Einführung von alternativen Energien benennen?

Die neuen Energietechnologien sind verfügbar und werden wohl in den nächsten fünf bis zehn Jahren massentauglich. Wie schnell sich der Markt tatsächlich anpassen wird, ist sehr schwierig zu sagen. Bei den Voraussagen zur Mobiltelefonie täuschten sich die Experten extrem und heute erleben wir in Bezug auf neue Energielösungen eine vergleichbare Situation.

Welche Massnahme im Energiebereich zeigt bei Hausmodernisierungen eine besonders hohe Wirksamkeit?

Ein Gebäude muss immer als Gesamtsystem betrachtet werden. Nur alle Massnahmen zusammen ergeben ein sinnvolles Ganzes. Eine aktuelle Studie des Bundesamtes für Energie zeigt, dass es nicht genügt, die besten Technologien zu verbauen. Die Bewohner müssen instruiert werden und am Anfang gilt es, die Einstellungen zu überwachen und zu justieren.

Empfehlen Sie bei einer Renovation Solarpanels?

Bei Solarpanels betrifft die zentrale Frage den Eigenverbrauch. Wenn ich nicht wenigstens einen schönen Teil des Solarstroms selbst verbrauchen kann, verzichte ich besser darauf oder ich verpachte das Dach an einen Betreiber.

Soll man beim Modernisieren auf eine Wärmepumpe setzen?

Eine Erdsonde mit Wärmepumpe ist immer prüfenswert, aber nicht überall möglich.

Was halten Sie von einer Pelletheizung?

Die Nutzung von einheimischem Holz in Heizungen ist sinnvoll – sei es in Form von Stückholz oder Pellets. Im Moment haben Pelletheizungen preislich im Vergleich mit Erdöl einen schweren Stand, doch das könnte sich sehr bald wieder ändern.

Welche weiteren neuen Energietechnologien finden Sie erwähnenswert?

Intelligente Gebäudetechnologien und Speicher sind für die dezentrale Energieinfrastruktur, die sich langsam im Aufbau befindet, schlicht unverzichtbar.

Gibt es sowas wie “die beste Energiesparmassnahme”, die gemessen am Aufwand die höchste Wirkung erzielt?

Eine um 1 Grad tiefere Zimmerlufttemperatur bedeutet etwa 6 Prozent weniger Heizenergieverbrauch. Das ist insbesondere im Frühling und im Herbst wichtig zu wissen. Mit einem leichten Jäcklein lässt sich viel Energie und Geld sparen.

Wenn Sie persönlich ein Haus umbauen würden, was dürfte in Bezug auf die Energie keinesfalls fehlen?

Die gute Isolation ist das A und O und die Aufteilung der Räume müsste flexibel gestaltbar sein. Wenn ich mir zum Beispiel vorstellen kann, mit 80 oder 90 dort zu leben, brauche ich dannzumal vielleicht einen Raum für eine Pflegefachkraft. Zur Planung der flexiblen Raumnutzung gehören zum Beispiel Kanäle für das Elektrische. Modernisieren hat viel mit der Nutzung zu tun und diese wiederum beeinflusst den Energieverbrauch.

Sie sprachen im April auf den Bautagen vom Stilhaus in Rothrist über moderne Energie. Welche Energietrends ausserhalb des Hauses sind Ihnen wichtig?

Der wichtigste Trend ist die Sharing Economy, bei der Menschen Dinge temporär nutzen, statt sie zu besitzen. Das hat grosse Auswirkungen auf den Energieverbrauch. Denken Sie an Autos als gutes Beispiel. Teilen statt besitzen bedeutet: weniger Autos, weniger Infrastrukturbauten, gezieltere Nutzung und damit eingesparte Energie.

Kommt die Sharing Economy tatsächlich?

Wir sind die falsche Generation, um das zu beurteilen. Die heutigen Jungen ticken bereits so und sie besitzen in den Städten kaum noch Autos. Vor 20 Jahren war der Autobesitz ein Statussymbol.

Und abgesehen von Autos?

In 20 bis 30 Jahren wird die Schweiz 10 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner haben und wir kommen deshalb nicht um die Verdichtung herum. Es wird urbane Zentren geben – viel mehr als heute – und wir werden zwingend in die Höhe bauen müssen. Es gibt Modelle von Wolkenkratzern mit eigenem Solarstrom und intelligenter Vernetzung und die technischen Entwicklungen laufen auf jeder Ebene. Wir brauchen sie nur noch in Systemen zusammenzufügen. Die Geschwindigkeit der Umsetzung hängt vor allem Davon ab, wie schnell die Menschen das Neue akzeptieren.

 

Marianne Zünd

Seit 2003 leitet Marianne Zünd (50) als Geschäftsleitungsmitglied des Bundesamts für Energie (BFE) die Abteilung Medien + Politik. Sie hält einen Master in Biologie (Pflanzenphysiologie, Universität Bern) und einen Postgraduierten-Abschluss in Forschungs- und Hochschulausbildungs-Politik der ETH Lausanne (EPFL). Vor ihrem Wechsel zum BFE leitete sie unter anderem internationale Projekte des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI), verantwortete den Aufbau des firmeneigenen Forschungs- und Entwicklungsprogramms von Amstein + Walthert AG und sie war stellvertretende Geschäftsleiterin des Programms Novatlantis der ETH Zürich. Bei Swissmem beschäftigte sie sich unter anderem mit dem Technologietransfer aus der Raumfahrt.

Checkliste Energiesparen

“Bei jeder Renovation lohnt sich der Blick auf das Energiethema”, sagt Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie. Das ist ihre Checkliste für Immobilienbesitzerinnen und –besitzer, die ihr Heim modernisieren:

  1. Könnte eine bessere Isolation (Fassade und Fenster) eine kleinere und günstigere Heizungsanlage ermöglichen?
  2. Welches Wärmesystem passt zur neuen Isolation? Wärmepumpe, Erdwärmesonde, Holzschnitzelheizung, Anschluss an einen Wärmeverbund.
  3. Analyse der elektrischen Anlagen und des Strombedarfs. Beispiel: Mit einer Photovoltaikanlage und dem passenden Speicher kann ein schöner Teil des Eigenbedarfs selbst gedeckt werden.
  4. Eventuell kaufen Sie ein Elektroauto, um möglichst viel des selbst produzierten Stroms direkt zu nutzen.
  5. Die Elektrik wird für die Anwendungen im Bereich “Smart Home” und “Internet of Things” angepasst, für die bald alles ans Internet angeschlossen wird; der Kühlschrank, die Heizung, das Bügeleisen etc.
  6. Meist lohnt sich eine gestaffelte Hausmodernisierung. Ein guter Energieberater hilft die Reihenfolge der Arbeiten festzulegen und zu prüfen, ob es für die Erneuerungsprojekte Fördergelder gibt.

Planen Sie einen Umbau oder eine Modernisierung? Die Hypotheken-Experten der Credit Suisse helfen Ihnen gerne bei der Finanzierungsplanung: credit-suisse.com/hypotheken

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Dieser Artikel wurde von Credit Suisse erstellt. Credit Suisse trägt die redaktionelle Verantwortung für diesen Inhalt.

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