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Wie viel Unterhalt ist mit dem Mietzins abgedeckt?

Von am 12. Juli 2017
NZZ Domizil

Bestückt der Vermieter die Küche auf Wunsch des Mieters mit einem Steamer, zieht das eine Mietzinserhöhung nach sich, denn der Steamer ist eine Mehrleistung. Wird die Wohnung dagegen nach über zehn Jahren neu gestrichen, handelt es sich um reinen Unterhalt. Unterhaltskosten sind im Nettomietzins eingeschlossen. Doch wo genau versteckt sich dieser Mietzinsanteil, und bis zu welcher Höhe wird der Unterhalt damit abgedeckt?

Der laufende Unterhalt

Eine erste Antwort gibt die mietrechtliche Nettorenditeberechnung. Sie ermittelt den Nettogewinn aus der Gegenüberstellung der Mietzinseinnahmen und des Liegenschaftenaufwands. Dazu gehören auch die Unterhaltskosten. Doch die Berechnung der Nettorendite kommt abgesehen von Sonderfällen nur bei der Festsetzung des Anfangsmietzinses zum Zug. Zudem wird sie durch die Ortsüblichkeit ersetzt, wenn das Kostenprinzip der Nettorendite an Grenzen stösst. Das ist nach Bundesgericht der Fall, wenn die Liegenschaft schon über dreissig Jahre lang keine wirtschaftliche Handänderung mehr erfahren hat. Im laufenden Mietverhältnis kann der gesteigerte Unterhaltsbedarf dann aber in jedem Fall unter dem Titel allgemeine Kostensteigerungen überwälzt werden.

Dabei wird die Unterhaltsteuerung seit letzter Mietzinsfestsetzung berechnet. Vor Gericht muss sie belegt werden. Schlichtungsbehörden behelfen sich teilweise mit Pauschalen. Verbreitet ist aber heute auch die Praxis, diese Kostensteigerungen nur noch situativ unter Beachtung der konkreten Verhältnisse zu berücksichtigen. Etwas komplizierter wird es bei einer umfassenden Sanierung der Liegenschaft. Hier stehen sich nicht nur Mehrleistung und Unterhalt gegenüber. Es muss auch noch zwischen ordentlichem und ausserordentlichem Unterhalt unterschieden werden. Nach der Verordnung zum Mietrecht macht der überwälzbare wertvermehrende Anteil einer umfassenden Sanierung 50 bis 70% der Investitionskosten aus.

Was ist «ausserordentlich»?

Eine Untersuchung aus dem Jahr 2015, die im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen über energetische Sanierungen und ihre Auswirkungen auf den Mietzins durchgeführt wurde, kommt allerdings zum Schluss, dass die Wertvermehrung deutlich unter 50% liegt. Nun soll eine vertiefte Studie die praxisnahe Bandbreite des Mehrwertanteils untersuchen. Sicher darf man schon heute festhalten, dass die derzeitige Praxis, die mit 50 bis 60% Wertvermehrung rechnet, in aller Regel auch einen Teil des ausserordentlichen Unterhalts mit einschliesst. Zu diesem gehören zum Beispiel der Ersatz von Wasserleitungen und Lift. Schon vor einiger Zeit ist das Bundesgericht allerdings dazu übergegangen, die Kosten des ausserordentlichen Unterhalts gesondert in die Berechnung des Unterhaltsaufwandes einzubeziehen. Damit werden diese Kosten dann zumindest teilweise doppelt überwälzt.

Es bleibt ein weiterer Widerspruch: Die Berücksichtigung des ausserordentlichen Unterhalts als Liegenschaftenaufwand widerspricht einer Eigenheit der mietrechtlichen Nettorendite. Der Mietzins ist immer auf den vollen ursprünglichen Anlagekosten berechnet, ergänzt durch alle seitherigen Wertvermehrungen und eine Teuerungsanpassung. Betriebswirtschafter rechnen anders: Sie wissen, dass die Liegenschaft kein ewiges Gut ist, und berücksichtigen eine Altersentwertung (damit müsste der nach Kostenprinzip ausgerichtete Mietzins sinken), stellen aber gleichzeitig Rückstellungen für umfassende Sanierungen des alternden Gebäudes ein (damit müsste der Mietzins dann wieder entsprechend steigen). Das Mietrecht umgeht diese Rechnung, doch das Ergebnis ist gleich. Der Mietzins reduziert sich trotz Altersentwertung nicht, weil damit Rückstellungen gemacht werden müssen. Diese Rückstellungen sind mit anderen Worten bereits im Mietzins enthalten.

Praxisfremde Theorie

Die widersprüchliche Behandlung des ausserordentlichen Unterhalts wirkt sich in der Praxis allerdings kaum aus, denn sie bedingt eine Rechnung über einen sehr langen Zeitraum. Die Kosten des ausserordentlichen Unterhalts müssen auf die Lebensdauer der Investition verlegt werden. So müsste die Investition für die neue Wasserleitung während 30 bis 50 Jahren im Aufwand mit einem jährlichen Anteil erscheinen. Liegenschaftsverwalter quittieren diese praxisfremde Theorie daher meist mit einem müden Achselzucken.

Irène Spirig Rechtsanwältin

Dieser Beitrag ist dem Immobilienbund der Neuen Zürcher Zeitung «NZZ Domizil» entnommen.

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