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Ein Hofhaus im Bronzekleid

Von am 3. Juli 2017
NZZ Domizil

In London entwirft Stararchitektin Alison Brooks ein ungewöhnliches Wohngebäude

Zeitgenössische Architektur für Einfamilienhäuser in Londons Innenstadt ist rar, meist wird nur angebaut in den Garten oder unter die Erde gegraben. Denn unbebautes Land ist hier rar und teuer. Zudem sind in der historisch gewachsenen Stadt die Bauvorschriften rigide: Praktisch jeder Stadtteil besteht aus einer Conservation-Area, bestückt mit historischen Häusern der georgischen, der viktorianischen oder der edwardianischen Stilepoche. Neubauten müssen die lokale Baugeschichte erhalten und verbessern. Jeder Neubau wird hinsichtlich Planung und Materialisierung genauestens geprüft.

Neues in hundert Jahre alten Bäumen

Das war auch in der Projektierungsphase des Mesh-House im Quartier Hampstead der Fall, für die eine Familie die bekannte und preisgekrönte Architektin Alison Brooks beauftragte: Es sollte vor allem grosszügig gebaut, transparent und hell sein. Mit 600 Quadratmetern Wohnfläche, verteilt auf vier Geschosse, wurde die Bedingung der Bauherrschaft, grosszügig zu bauen, erfüllt. Das 650 Quadratmeter grosse, keilförmige Grundstück stellt hohe Anforderungen. Die hundert Jahre alten, schönen Bäume am Rand, die das Licht nehmen, verlangten nach einer kreativen Lösung. Der Neubau sollte zu den vierstöckigen viktorianischen Häusern mit roten Backsteinfassaden passen und ein harmonisches Ganzes bilden.

Licht ist der Hauptakteur des Projekts und der sich gegen Süden öffnende zentrale Innenhof das Organisationsprinzip. Dazu zog Brooks den Grundriss des Hauses in eine U-Form und dehnte so die traditionell langgezogene Form des viktorianischen Archetyps weiter in die Länge, so dass das Sonnenlicht in der Hausmitte eingefangen werden kann. Der Hof erlaubt Blicke durch die und zwischen die Innenräume. «Vom Innenraum über einen Aussenraum in den nächsten Innenraum deines Hauses blicken zu können, hat etwas hoch Befriedigendes», sagt Brooks. «Es gibt dir das Gefühl, dass dein Haus eine Art Rahmen oder Behälter für ein Stück Natur ist.»

Auch im Längsschnitt ist das Haus durchlässig: Parterre, erste und zweite Etage verfügen teilweise über doppelte und dreifache Deckenhöhen. Die vertikale Ausdehnung der Räume erlaubt visuelle und akustische Verbindungen zwischen den Geschossen und holt Licht bis in die hintersten Winkel des Hauses. Verglaste Dachöffnungen erlauben zudem unerwartete Sichtverbindungen zu Himmel und Natur.

Das Parterre dient als Erweiterung des Gartens, eine Landschaft mit verglasten Scheiben, Backsteinwänden und holzverkleideten Räumen. Die grosse Küche liegt zwischen Vorgarten und Hof. Ess- und Wohnräume sind samt dem Cheminée um den zentralen Hof angelegt. Fünf Schlafzimmer, drei Badezimmer und ein Büro sind über die oberen Geschosse verteilt. Im Keller finden sich Heimkino, Weinkeller, Dampfbad und Fitnessbereich sowie Gästezimmer und Hauswirtschaftsraum.

Haut aus Bronzeschindeln

Die Aussenhaut besteht aus Bronzeschindeln, die dem Haus eine attraktive Textur verleihen. Sie nimmt die kristalline Gebäudeform auf und verändert das Erscheinungsbild je nach Blickwinkel und Distanz. Im Herbst wird die fünfköpfige Familie nach einer fast fünfjährigen Planungs- und Bauphase endlich einziehen. Dann hat auch Alison Brooks ihr Ziel erreicht: eine zeitgenössische Form für ein Einfamilienhaus inmitten der Grossstadt zu finden, das einen informellen und fliessenden Wohnraum bietet.

Brigitte Ulmer

Dieser Beitrag ist dem Immobilienbund der Neuen Zürcher Zeitung «NZZ Domizil» entnommen.

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